Auf der Zielgeraden zur „Studentenstadt“

Keine Tradition, kein Geld, kein Potenzial – Argumente, die häufig gegen eine Etablierung Schwerins zum Hochschulstandort sprechen

Keine Tradition, kein Geld, kein Potenzial – das sind die Argumente, die häufig gegen eine Etablierung Schwerins zum Hochschulstandort sprechen. Der Verein Förderer von Hochschulen in Schwerin hält dagegen.
Dr. Joachim Wegrad, Vorsitzender des Vereins Förderer von Hochschulen in Schwerin, Foto: maxpress

Schwerin • Keine Tradition, kein Geld, kein Potenzial – das sind die Argumente, die häufig gegen eine Etablierung Schwerins zum Hochschulstandort sprechen. Der Verein Förderer von Hochschulen in Schwerin hält dagegen und kämpft seit vielen Jahren mit Zuversicht und Hoffnung für die „Studentenstadt Schwerin“. Im hauspost-Interview erklärt der Vorsitzende Dr. Joachim Wegrad, was dafür spricht.

hauspost: Herr Dr. Wegrad, Sie machen sich dafür stark, dass die Landeshauptstadt als Hochschulstandort anerkannt wird. Wie sehen die jüngsten Entwicklungen diesbezüglich aus?
Dr. Joachim Wegrad: Es gibt drei konkrete Meilensteine, die wir in den zurückliegenden fünf Jahren erreicht haben, die uns hoffnungsvoll behaupten lassen: Wir sind auf der Zielgeraden. Erstens: Zwar hat sich die Fachhochschule des Mittelstandes dazu entschieden, sich nach Rostock zu orientieren. Aber gleichzeitig hat sich 2021 an selbiger Stelle am Pfaffenteich ein Standort der Medical School Hamburg (MSH) angesiedelt und entwickelt sich gut. Aktuell gibt es dort 480 Studierende und mit der Aussicht, noch andere Gebäude zu übernehmen beziehungsweise einen Neubau zu entwickeln, könnten es in den nächsten Jahren circa 600 sein. Der große Vorteil, den die MSH bietet ist die Kooperation mit den Helios Kliniken Schwerin als Praxispartner und natürlich auch wirtschaftlichen Partner. Die Zusammenarbeit gestaltet sich bisher ausgesprochen positiv, angenehm und man ist sehr daran interessiert, den Fachkräftenachwuchs hier groß zu ziehen.

hauspost: Das klingt ja schon mal gut. Was ist der zweite Punkt?
Dr. Joachim Wegrad: Zweitens konnten wir mit der IHK und weiteren Partnern die politischen Parteien davon überzeugen, einen Prüfantrag in die Koalitionsvereinbarung aufzunehmen. Dabei geht es darum, dass Schwerin als Hochschulstandort, auch mit den privaten Strukturen, als Bestandteil der Hochschulbildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern anerkannt wird. Dafür sind wir und Vertreter der Hochschulinitiative – ein Netzwerk von 20 Kammern, Vereinen und Verbänden sowie zahlreichen Bürgern und Unternehmen – mit dem zuständigen Ministerium regelmäßig im Gespräch und hier zeichnet sich eine gewisse Aufgeschlossenheit ab.

hauspost: Was glauben Sie, warum man sich mit der Anerkennung Schwerins als Hochschulstandort so schwertut?
Dr. Joachim Wegrad: Die Anerkennung würde bedeuten, dass die Schweriner Hochschulen auch beim Landesmarketing berücksichtigt werden müssen. Einige andere Städte sehen da einen Wettbewerbsnachteil auf sich zukommen, was die Akquise von Studierenden angeht. Dann müssten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zukünftig auch Immatrikulationszahlen veröffentlicht werden, was einen gewissen Druck bedeuten könnte. Und schließlich müsste man bei Konferenzen zum Beispiel auch die Rektoren der Schweriner Hochschulen miteinbeziehen. Anerkennung bedeutet also auch Verantwortung. Das alles sind Dinge, die wir wollen – dass Schwerin dazugehört. Dass das nicht jedem schmeckt, mag sein. Dabei könnten sich viele positive Synergien und eine Stärkung der Hochschullandschaft insgesamt ergeben.

hauspost: Können Sie mal ein Beispiel nennen?
Dr. Joachim Wegrad: Ja und das bringt mich zum dritten Meilenstein: Wir sind sehr intensiv dabei, dass eine Außenstelle der Hochschule Wismar nach Schwerin kommt – mit einer Fakultät für Verwaltungs- und Organisationswissenschaften. Dieser Schritt bietet enorme Vorteile für das Land in Bezug auf Fachkräftegewinnung, Bündelung von Kapazitäten und Kompetenzen und Ressourceneinsparungen. Sogar Alleinstellungsmerkmale könnten hervorgebracht werden. Wichtig bleibt für uns bei allem, nichts auf Kosten anderer Hochschulstandorte zu initiieren.

hauspost: Glauben Sie, Schwerin wird einmal „Studentenstadt“?
Dr. Joachim Wegrad: Ein klares Ja! Denn mit aktuell insgesamt 1.300 Studierende ist Schwerin es bereits. Wenn alles so eintritt, wie wir es uns vorstellen, hätte der Titel „Hochschulstandort“ natürlich eine Ausstrahlung in der Metropolregion und darüber hinaus. Dahinter steckt so viel Potenzial. Und am Ende sind wir alle daran interessiert, dass junge Menschen im Land bleiben und wir vor allem auch Studierende für die Zukunft von MV aus dem In- und Ausland gewinnen.

maxpress/ml

Cyuna-Marie Reisdorf, Studentin an der MSH Medical School

Ich studiere Humanmedizin, mittlerweile im achten Semester. Der Standort Schwerin der MSH Medical School Hamburg gefällt mir ganz gut. Seit etwa zwei Jahren wohne ich auch in der Landeshauptstadt. Es gibt definitiv Luft nach oben, was das studentische Leben in Schwerin betrifft. Dann würde sich das Image für Studierende auch automatisch verändern. Meine Kommilitonen sagen zum Beispiel so etwas wie ,Ab dem fünften Semester muss ich nach Schwerin‘, statt sich auf den Standortwechsel von Hamburg hierher zu freuen. Das sagt einiges, oder? Wünschenswert wären mehr Angebote und vor allem mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz für junge Leute hier – das wäre ein gutes Gefühl.

Thorben Block, Student an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA)

Die Musikklub-Abende auf dem Markt im Sommer bringen ein bisschen studentisches Flair in die Stadt. Aber als Jahrgangssprecher bekomme ich mit, worüber sich Studenten in Schwerin unterhalten: Bezahlbarer Wohnraum ist dabei genauso Thema wie allumfassende Informationen für Studenten, die die Orientierung erleichtern. Ich fände ein Netzwerk für Auszubildende beziehungsweise Berufsschüler und Studenten sinnvoll. Das würde das Image als Studentenstadt verbessern. Viele wissen nicht, dass man hier studieren kann. Und wer herkommt findet keine zentralen Anlaufstellen – entweder, weil es sie nicht gibt, oder weil sie nicht sichtbar genug sind. Da braucht es besseres Marketing.

Justina Behne, Studentin an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA)

Ich fühle mich generell wohl in Schwerin, aber wirklich studentisches Leben ist hier nicht zu spüren. Meiner Meinung nach müssen diverse Angebote viel breiter aufgestellt werden. Glücklicherweise ist die HdBA grundsätzlich gut vernetzt in der Stadt und bietet einige Anlaufstellen für junge Leute von sich aus an – zum Beispiel die Kellerklause auf dem Campus und ein eigenes Partykommittee, sodass auch abseits des Lernens Studenten zusammenfinden und ihre Freizeit gestalten können. Für mich stellt sich die Frage, wie sich private Hochschulen und Berufsschulen zusammentun können, um mit der Landeshauptstadt gemeinsam mehr auf die Beine zu stellen.

Chistoph Richter, Alumnus ehemaliges Baltic College

Bis 2011 habe ich Hotelund Tourismusmanagement am damaligen Baltic College studiert. Wichtig war mir, in der Heimat zu bleiben und ein breitgefächertes Studium zu durchlaufen. Beides war gegeben. Der Sprung ins Berufsleben war auch direkt geglückt. Schwerin hat einen enormen Freizeitwert, was (Wasser-) Sportmöglichkeiten betrifft. Auf der anderen Seite wünsche ich mir mehr Alternativen in unserer Kulturlandschaft. Für mich ist Schwerin perspektivisch ein Standort privater Hochschulen mit Spezialisierung auf maritime und zukunftsträchtige Richtungen wie nachhaltige Energien und Digitalisierung. Es bietet sich an, auch die berufliche Bildung zu fokussieren und hier zu zentralisieren.

Janine Pleger, Redakteurin

Liebe Leserinnen und Leser, ich habe in Bochum studiert. Mit mehr als 57.000 Studenten ist junges Leben in der Stadt alltäglich. Angebote für Studenten und Bedarfe – zum Beispiel bei Jobs in der Gastronomie – beflügeln sich gegenseitig. In Schwerin fehlt es nicht an Ideen oder einer Vision. Einige stehen engagiert dafür ein! Aber wo es keinen Konsens von Entscheidern gibt, fehlt die Durchschlagskraft. Ich wünsche mir, dass das Ringen um ein „ob“ aufhört und ein endlich ein Konzept für das ,wie‘ entsteht.

Hochschulen in der Landeshauptstadt

Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdbA)
Wismarsche Straße 405,
19055 Schwerin
Telefon:
(0385) 5408-3
E-Mail:
hochschule-schwerin@ arbeitsagentur.de
Internet:
www.hdba.de

MSH Medical School Hamburg
August-Bebel-Straße 11,
19055 Schwerin
Telefon:
(0385) 326 513 36 15
E-Mail:
info@medicalschoolhamburg.de
Internet: www.medicalschool-hamburg.de

SWS Schulen gGmbH
anerkannter Studienort der Internationale Studienund Berufsakademie (ISBA)
Ziegelseestraße 1,
19055 Schwerin
Telefon:
(0385) 20888-0
E-Mail:
info@sws-schulen.de
Internet:
www.sws-schulen.de/fortbildung

Berufsakademie Nord GmbH
Telefon:
(0385) 480 690
E-Mail:
kontakt@ba-nord.de
Internet:
www.ba-nord.de

Hamburger Fernhochschule (HFH)
Pampower Straße 3,
19061 Schwerin
Telefon:
(0385) 644 37 11
E-Mail:
Cornelia.Knitter@ hamburger-fh.de
Internet:
www.hfh-fernstudium.de/studienzentrum-Deutschland-Schwerin

Hochschule Musik und Theater (hmt)
Außenstelle Schwerin:
Mecklenburgisches Staatstheater
Alter Garten 2,
19055 Schwerin
Telefon: (0385) 530 00

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