Von Sielen und Fäkalientönnchen

Die Anfänge und Entwicklungen der Abwasserentsorgung in Schwerin

Schwerin • Nachdem es in Europa im 19. Jahrhundert immer wieder zu großen Cholera-Epidemien kam, deren Ursache vor allem schlechtes Trinkwasser war, entschloss man sich, in die Abwasserentsorgung zu investieren.

In Städten wie London, Paris, Wien und Hamburg entstanden moderne und vorbildliche Kanalisationssysteme. Diese waren Vorbild für die kleineren Städte und so entschloss sich auch die Stadt Schwerin 1885 zum Bau einer solchen Anlage.
Als Vorlage diente der Entwurf des Stadtbaumeisters Stubben-Köln, der vom Magistrat angenommen und zur Bauausführung bestätigt wurde. Allerdings schritt der schwierige Bau der Kanalisation zunächst nur langsam voran. Besonders viel Zeit und Mühe nahm der große Hauptsammelkanal in Anspruch, der vom Marienplatz durch die Helenen-, Kaiser-Wilhelm-, Tauben- und Lehmstraße zum Hintenhof (heute Bornhövedstraße) ging. Bis Ende 1892 waren 30.500 Meter Sielrohre und 4.300 Meter gemauerte Kanäle fertig gestellt und nach weiteren zwei Jahren, im Dezember 1894, konnte die ganze Anlage als vollendet gelten.
Das  Wäschespülen in den öffentlichen Gewässern  war fortan verboten und der 1857 am Pfaffenteich errichtete Waschpavillon wanderte ins Zippendorfer Gehölz.
Ein wesentlicher Fortschritt war der 1904 im Bürgerausschuss angeregte Anschluss der Aborte an das Sielnetz. Bis dahin waren die Fäkalien durch Fäkalientönnchen entsorgt worden, 1904 waren es noch täglich  1.400 Tönnchen, die von fünf Abfuhrwagen abtransportiert wurden. Die Errichtung der Kläranlage Hintenhof im Jahre 1908 sollte diesen Zustand beenden. Diese mechanische Anlage hatte eine Kapazität von 216 Kubikmetern pro Stunde und bestand aus Sandfang, Rechenanlage sowie sechs zweistöckigen Klärbrunnen. Noch im Jahre 1908 erfolgten die Inbetriebnahme der Anlage und der Anschluss der ersten 431 Haushalte. Bis 1915 sollten alle Häuser Schwerins mit Spülaborten versehen sein, doch der I. Weltkrieg verhinderte dieses ehrgeizige Projekt und so waren auch noch nach 1950 die Fäkalientönnchen nicht ganz aus der Stadt verschwunden.

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